Eine BIO-Europe der Rekorde in München
Die 29. BIO-Europe in München konnte mit Rekordzahlen aufwarten: Erstmals rund 6.000 Teilnehmer, erstmals über 30.000 Partnering-Meetings auf der ohnehin schon größten europäischen Partnering-Veranstaltung für Biotech und Pharma. Aber viele andere Zahlen weisen derzeit eher zurück auf 2019.
Viele Rekordzahlen und eine deutlich bessere Stimmung in Europa, als man sie derzeit aus den USA hört, das war die Gefühlslage der diesjährigen BIO-Europe, diesmal in München. Die Finanzierungslage ist durchaus schwierig und vor allem die Pharmagiganten in den USA greifen zu kleineren oder größeren Restrukturierungsprogrammen zum Wohle der Aktionäre, weil die Umsatzzahlen wieder auf das Niveau vor der Pandemie zurückkehren. Die starke Zurückhaltung der US-amerikanischen Investoren trifft aber zumindest im Augenblick noch stärker den Heimatmarkt der vielen überbewerteten US-Biotech-Unternehmen. Die europäische Szene ist kaum etwas anderes als eine Krise gewohnt und geht souveräner, fast gelassen damit um – immer in der Hoffnung, dass die großen Geldgeber aus den USA bald zurückkehren.
In der Eröffnungsdiskussion, an der Daniel Chancellor (Citeline/Evaluate), Dr. Alexandra Zemp (Mc Kinsey) und Isma Hachi (IQVIA) teilnahmen, lauteten die Kernaussagen: In der Onkologie bieten sich enorme Chancen, und Biologika und seltene Krankheiten sorgen für einen enormen Zuwachs in der Pipeline. Partnerschaften werden jedoch in die frühesten Stadien verlagert, da sie nicht nur eine kurzfristige Finanzierungsquelle darstellen, sondern auch, weil das kombinierte Fachwissen zur Gestaltung der Entwicklungsstrategie und zur Wertschöpfung eingesetzt werden kann. In einer weiteren Diskussionsrunde zum Thema „Was gibt es Neues in der Onkologie?“ betonte die ehemalige Leiterin der globalen Onkologieabteilung von Novartis, Susanne Schaffert, dass ein Biotech-Unternehmen die Vermarktung so früh wie möglich in den Mittelpunkt jeder Entwicklung stellen müsse und dass dies ein „Muss“ sei, um mit der Pharmaindustrie zu sprechen. In dem Zweiergespräch über Onkologie war Jean-Paul Kress, CEO der Morphosys AG, der Vertreter der Biotech-Szene. Er verwies auf die große Herausforderung für ein kleines Unternehmen, bei den vielen aktuellen Entwicklungen in der Indikation Krebs die richtigen Entscheidungen zu treffen und die Prioritäten richtig zu setzen. Auf das bekannte Mantra „Fokus, Fokus, Fokus“, das Susanne Schaffert vortrug, berichtete Kress von dem Dilemma, in das eine solche Fokussierung ein Biotech-Unternehmen stürzen kann. Nämlich wenn die eigene Pipeline oder Technologieplattform „out of focus“ der möglichen Pharmapartner gerät, einfach weil beispielsweise die Zeit die Technologieplattform zu einer Art Selbstverständlichkeit gemacht hat. Doch dann die Kehrtwende zu schaffen, sei alles andere als einfach, die finanziellen Mittel nicht oder nicht ausreichend vorhanden, um mit einem etablierten Marktteilnehmer zu kooperieren, man müsse wieder ins Risiko mit unklaren Erfolgsaussichten gehen. Kress beschrieb die eigene Suche nach neuer, externer Auffrischung der Morphosys-Pipeline als ein Ding der Unmöglichkeit: „Wir suchten ein etabliertes Medikament oder einen risikoarmen Kandidaten zu einem günstigen Preis – so etwas gibt es einfach nicht.“ Ob er mit der milliardenschweren Übernahme von Constellation das richtige Los gezogen hat, wird sich nun in wenigen Wochen bei Bekanntgabe der klinischen Daten erweisen.
Aus dem Eröffnungspanel kam auch ein anderes Thema stärker als bisher auf die Agenda: Isma Hachi betonte, dass die Diversität der Menschheit sich auch in den F&E-Abteilungen widerspiegeln müsse, um die besten neuen Therapien für die Patienten zu entwickeln, da man von Anfang an verschiedene Perspektiven, aber auch Charakteristika von Populationen einbinden sollte. Dies würde heute auch bei der Bildung von Partnerschaften viel stärker berücksichtigt.
Die traditionelle Partylaune des Partneringevents wurde schließlich von Daniel Chancellor gebremst. Er resümierte, dass die Investitionen sich zwar langsam erholten, der Rückschlag nach den Corona-Jahren aber immer noch schwer wiege. Nun starte man auf dem Niveau von 2019 quasi neu. Im Panel der Medienexperten die ein „Echo“ des auf der Konferenz Gehörten für das Publikum aufbereiteten (Foto), war es Veteran Mark Ward (Clarivate), der einen Appell an die Fondsmanager, aber auch an Big Pharma richtete, nicht auf den Millionen und Milliarden Geldern der großen Gewinne und Fondsfinanzierungen sitzenzubleiben und die Branche weiter verdursten zu lassen. Die Bremse muss nun wieder gelöst werden, da die Innovationen der Biotechs dringend benötigt werden: für die Pharma-Pipeline aber auch von den Patienten. Die nächsten BIO-Europe-Veranstaltungen im Frühjahr (Barcelona) oder im Herbst 2024 in Stockholm, Schweden, werden zeigen, ob das Dealbarometer angesprungen ist.